Trauer am Arbeitsplatz: unangebracht oder menschlich?
- Nastja Derenko
- 21. Juli 2023
- 2 Min. Lesezeit
Unsere Arbeit ist ein großer, zeitintensiver Teil unseres Lebens. Wenn ein erfreuliches Ereignis in unseren Leben ansteht, teilen wir das oft euphorisch mit unserem Team. Doch wie ist es mit Verlusterfahrungen? In vielen Unternehmenskulturen gilt immer noch der Ansatz, dass Trauer etwas höchst privates ist und am Arbeitsplatz nichts zu suchen hat. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus.

Auch Jahre nach dem Verlust können Trauernde von Traurigkeit, Angst, Sehnsucht, Wut, Verzweiflung, Einsamkeit, oft auch Scham und Schuld regelrecht überwältigt werden. Das Weiterfunktionieren und wie gewohnt "leisten" wird unter dieser emotionalen Belastung oft zur Zerreißprobe.
Und auch im Team kann es zu einem ähnlichen Gefühlsmix kommen: Angst davor, etwas Falsches zu sagen und schmerzhafte Gefühle bei den Trauernden auszulösen; Scham, weil man nicht auf Anhieb die richtigen Worte findet oder aus Unsicherheit seit Wochen den trauernden Kollegen meidet. Angst, dass einem selbst oder den eigenen Angehörigen etwas zustoßen könnte – jetzt wo man mit der Vergänglichkeit konfrontiert wird. Aber auch tiefes Mitgefühl und der Wunsch, den Schmerz doch irgendwie zu lindern.
Nichts davon ist leicht.
🤍 Aber was ist, wenn wir mit unserer Verlusterfahrung gar nicht alleine sind? Wenn wir plötzlich herausfinden, dass unser Gegenüber etwas sehr ähnliches erlebt haben? Dass da sehr viel Empathie, Wärme und Halt ist: etwas was uns als Menschen noch viel mehr zusammenschweißt und uns Vertrauen zueinander schenkt?
Vielleicht hätten wir das nie erfahren, wenn wir geschwiegen hätten.
Und auf der anderen Seite: wenn der Verlustschmerz eines Kollegen uns sprachlos und hilflos dastehen lässt, ist genau das ein guter Gesprächsstart: "Ich weiß nicht was ich sagen soll." Da sein, zuhören, verstehen, was die Person fühlt und was sie eigentlich braucht – ohne zu bagatellisieren oder vergleichen.
Meine Vision ist die einer Gesellschaft, in der jeder Mensch offen und selbstempathisch mit seinen vermeintlichen "Schwächen" umgeht. Wo niemand sich für persönliche Krisen zu schämen braucht und jede/r sich die Unterstützung holen kann, die er/sie gerade benötigt – unabhängig vom Geschlecht oder Status. Ich möchte Teil dieser längst überfälligen Veränderung sein.
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